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“Ich muss niemandem mehr etwas beweisen”

Mit “Reflections” hat der Schweizer Musiker und Schauspieler Carlos Leal dieses Jahr sein erstes Soloalbum veröffentlicht. Im Interview spricht der ehemalige Rapper der französischsprachigen Hip-Hop-Gruppe Sens Unik über die Inspirationen für sein Album und über die Werbefilme mit UPC Cablecom.

Carlos Leal, Schweizer Musiker, Schauspieler und Markenbotschafter für UPC Cablecom. (Quelle: Netzmedien)
Carlos Leal, Schweizer Musiker, Schauspieler und Markenbotschafter für UPC Cablecom. (Quelle: Netzmedien)

Ihr letztes Album mit Sens Unik liegt schon einige Jahre zurück. Warum haben Sie so lange gewartet, um zur Musik zurückzukehren?

Carlos Leal: Ich war sehr beschäftigt und investierte viel Zeit und Leidenschaft in die Schauspielerei. Es wird schwierig, wenn man nicht 100 Prozent seiner Zeit darin investiert. 2010 hatten wir eine kleine Reunion mit Sens Unik. Damals produzierten wir auch ein paar neue Songs. Ich wollte danach eine Pause machen, um mit meiner eigenen Musik zurückzukommen und nicht im gleichen Stil fortzufahren.

Was führte damals zur Auflösung von Sens Unik?

Das Ende von Sens Unik kam ja nicht plötzlich, sondern entwickelte sich auf natürliche Weise. Nach neun Alben waren wir müde und näherten uns langsam dem Aus. So konnten wir uns auf das Ende vorbereiten. Da ich Veränderungen liebe, war für mich die Zeit für Neues gekommen. Ich widmete also mehr Zeit meiner Filmkarriere. Deswegen zog ich ins Ausland. Der Rest der Band blieb in der Schweiz. Wir sind aber noch immer gute Freunde.

Ist dieses Album der Anfang einer Solo-Karriere?

Ich würde gerne mehr machen. Als ich mit der Arbeit an dem Album begann, hatte ich nur dessen Fertigstellung vor Augen. So zielgerichtet zu arbeiten, kann sehr effektiv sein. Das lernt man auch in Marketing-Workshops. Wenn man sich aber zu stark auf eine Sache fokussiert, kriegt man auch einen Tunnelblick. Man nimmt dann nicht mehr alles wahr, was um einen herum geschieht. Während der Arbeit an Reflections wurde ich zu obsessiv bis es nicht mehr weiter ging. Ich mache jetzt zwar gerne Werbung für das Album. Zugleich beschäftige ich mich aber auch als Schauspieler mit anderen Projekten. Was die Musik betrifft, werde ich jetzt ein wenig warten und sehen, was aus dem Album wird. Vielleicht mache ich später eine Tour, wenn das Interesse dafür vorhanden ist. Falls es keine Tour gibt, mache ich eben einen Film. Das fände ich ebenso gut.

Wieso nannten Sie Ihr Album “Reflections”?

Ich bin schon seit vielen Jahren künstlerisch aktiv. Es war an der Zeit, in den Spiegel zu blicken. Mit diesem Album wollte ich in erster Linie mir gegenüber ehrlich sein. Ich muss niemandem mehr etwas beweisen. Die Verkaufszahlen und der Erfolg des Albums sind mir egal, deshalb produzierte ich das Album so, wie ich es wollte. “Reflections” ist das Ergebnis einer Reise in mein Innerstes und zu den verschiedenen Persönlichkeiten, die ich antraf. Wir tragen alle unterschiedliche Personen in uns. Manche sind unsere Freunde, andere sind unsere eigenen inneren Feinde. Zu wissen, dass ich damit umgehen kann, gibt mir ein gutes Gefühl. So eine Reise sollte jeder einmal unternehmen.

Gibt es einen Grund für den Genrewechsel weg vom Hip-Hop von Sens Unik?

Meine Musik soll mich selbst widerspiegeln. Und zwar nicht so, wie ich früher war, sondern wie ich heute bin. Mein Musikgeschmack hat sich seit meiner Zeit bei Sens Unik verändert. Heutzutage interessiere ich mich mehr für Electronica und alternative Musik. Mir gefallen aber auch französische Chansons oder Filmmusik. “Reflections” ist eine Fusion all dieser Genres.

War es eine Herausforderung, englische Liedtexte zu verfassen?

Bisher habe ich Liedtexte vor allem auf Spanisch und Französisch geschrieben, obwohl ich schon seit 15 Jahren Englisch spreche. Ich musste zunächst lernen, wie man englische Liedtexte verfasst. Ab und zu schrieb ich Verse, die auf Französisch logisch klangen – auf Englisch jedoch überhaupt nicht. Meine beiden Produzenten waren mir da eine grosse Hilfe. Zusammen fanden wir für diese Zeilen die richtigen Worte. Was die Kunst betrifft, ziehe ich eigentlich Französisch vor. Man kann in dieser Sprache mehr mit den Worten spielen. Auf Englisch sind Metaphern hingegen viel direkter formuliert. Natürlich gibt es auch fantastische Autoren und Musiker, die ihre Werke auf Englisch verfassen. Ich mag etwa die düsteren Bücher von Philip Roth. Jetzt gerade entdecke ich die Bücher von David Eggers, dem Verfasser von The Circle. Ich liebe seine sehr subtile, aber extrem intelligente Weise, etwas zu kritisieren. The Circle dreht sich um eine beängstigende Welt, die durch das Internet komplett vernetzt ist.

Sehen Sie das Internet auch so?

Das Internet sollte uns alle Türen und Fenster zur Welt öffnen. Aber wie so üblich, dreht sich alles nur ums Geld. Wer Geld hat, kann etwa auf die Suchergebnisse im Internet Einfluss ausüben. So beeinflusst er schlussendlich auch die Interessen der Nutzer. Über das Internet ist es leichter geworden, Menschen zu manipulieren. Wenn etwas in Ägypten passiert, redet drei Sekunden später die ganze Welt darüber. Leider reden 95 Prozent davon nur Unsinn, weil sie noch keine Ahnung haben, was wirklich passiert ist. Die Informationen werden so schnell verbreitet, dass man nicht genug Zeit hat, darüber nachzudenken. Mit dem Internet manipulieren wir auch uns selbst. Denn es gibt dem Nutzer das Gefühl, was er sagt, sei wichtig. Dies trifft besonders auf soziale Netzwerke zu. Als Nutzer müssen wir auf solche Manipulationen achten.

Hat das Internet auch positive Aspekte?

Ich bin echt froh, dass das Internet existiert. Ich verwende es fast jede Sekunde. Da ich viel arbeite und in verschiedenen Ländern tätig bin, lese ich andauernd meine E-Mails. Ohne das Internet hätte ich da keine Übersicht. Das Internet kann wunderbar sein, man muss einfach schlau damit umgehen. Für einen Künstler ist das Internet ein hervorragendes Werkzeug. Auf Facebook habe ich Fans aus Kroatien, Mexiko, Puerto Rico und vielen anderen Ländern. Wenn ich dort ein Musikvideo veröffentliche, sieht es die ganze Welt zur gleichen Zeit. Das war früher für einen Schweizer Musiker nicht möglich. Ich habe über das Internet auch selber viele Künstler entdeckt. Vor etwa drei Jahren sah ich auf einem Kunstblog ein Gemälde eines norwegischen Malers. Über Facebook fragte ich ihn, ob ich das Bild kaufen könne. Nun hängt es bei mir in Los Angeles. Er hat auch das Cover für Reflections gemalt. Dabei habe ich ihn noch nie getroffen. Wir diskutierten immer nur über Skype.

Nutzen Sie ihr Smartphone um Musik zu hören?

Ich nutze das Handy vor allem, um Musik zu finden. Wenn etwa ein tolles Lied im Radio läuft, warte ich nicht, bis der Moderator mir den Namen des Künstlers sagt. Ich zücke stattdessen mein Smartphone. Darauf habe ich Shazam installiert. Die App sagt mir sofort, wer das Lied singt. Ich kann mir die Musik dann auch direkt über iTunes kaufen. Ich beziehe meine Musik eigentlich nur noch über elektronische Geräte.

Wieso zogen Sie ins Ausland?

Ich wollte als Schauspieler international aktiv sein. In Lausanne zu bleiben war für mich keine Option. Zunächst zog ich nach Paris. Später traf ich den spanischen Agenten von Penélope Cruz. Er überzeugte mich, nach Madrid zu ziehen. Über ihn kam ich zu vielen Angeboten in Spanien. Da ich spanischer Abstammung bin, fand ich es grossartig, in dem Land zu arbeiten. Nach vier Jahren beschlossen meine Frau und ich, nach Holly­wood in Los Angeles zu ziehen. Das war eine weise Entscheidung, denn wir lieben Los Angeles.

Ihr aktuelles Fernsehprojekt The Team ist ebenfalls sehr international geprägt. Wie erlebten Sie die Dreharbeiten an der Serie?

The Team ist eine Koproduktion zwischen vielen Ländern. Wir filmten an verschiedenen Drehorten überall in Europa. So zeigt die Serie dem Zuschauer die verschiedenen Kulturen und Sprachen der einzelnen Länder auf. Es war eine Freude, mit so starken Schauspielern wie Lars Mikkelsen oder Veerle Baetens zusammen zu arbeiten. Mit Kathrine Windfeld hatten wir zudem eine wirklich hervorragende Regisseurin. Leider verstarb sie Anfang Februar.

Sehen sie selber viel fern?

Das Fernsehprogramm bei mir zuhause in den USA finde ich nicht gut. Es gibt zu viele dumme Programme. Man kann zwar komplexe Gedanken auf eine simple Weise ausdrücken. Aber wenn man diesen Gedanken zu stark vereinfacht, wird er einfach nur dumm. Fox News ist ein Beispiel dafür. Das ist vermutlich die dümmste Nachrichtensendung der Welt. Zum Glück beginnen die Zuschauer das zu realisieren. Meinen Fernseher verwende ich eigentlich nur für DVDs. Wenn ich mich über die Nachrichten informieren will, lese ich lieber eine gute Zeitung.

Sehen Sie einen Unterschied zwischen dem Schweizer und dem amerikanischen Fernsehen?

Ich kenne das Schweizer Fernsehprogramm nicht so gut. Die Kulturen unterscheiden sich aber deutlich voneinander. In den USA ist die Kultur des Geldes, die Business-Kultur, überall präsent. Als Schweizer blicken wir mit einem kritischen Blick darauf, weil das nicht unsere Welt ist. Amerikaner verstehen das nicht immer. Wir haben zwar das Recht auf eine kritische Perspektive, andere Kulturen gilt es allerdings zu verstehen und nicht zu bemängeln. Ich wohne mittlerweile schon seit vier Jahren in dem Land. Meine Perspektive hat sich mit der Zeit geändert, aber ich bin noch kein Amerikaner geworden. Ich sehe ihre Kultur also mit anderen Augen.

Wie hat die Zusammenarbeit mit UPC ­Cablecom Ihre Bekanntheit in der Schweiz beeinflusst?

Ich war zuvor bereits bekannt, aber durch die Werbespots für UPC Cablecom wurde ich richtig populär. Es ist schon etwas anderes, wenn man jeden Tag im Fernsehen zu sehen ist. Meiner Filmkarriere tat es auch gut, aber nur für bestimmte Genres. Früher spielte ich wegen meines Gesichts mehrheitlich seriöse Rollen. Nun scheinen Filmemacher zu glauben, dass ich zu lustig geworden sei. Aber darüber bin ich froh, denn ich liebe Komö­dien. Sie sind wie Musik. Wenn man die Zuschauer zum Lachen bringen will, sollte man wissen, was ein Rhythmus ist. Da ich ursprünglich aus der Hip-Hop-Ecke komme, kenne ich mich damit gut aus. Für solche Werbeauftritte wird man auch gut bezahlt. So halfen sie mir mit meinen Träumen in Hollywood. Dort zu wohnen und eine Familie zu ernähren, ist auch nicht gerade billig. Ich habe aber auch schon Angebote von langweiligen Marken abgesagt. Vorläufig bleibe ich also bei UPC ­Cablecom.

Seit Oktober wirbt Stéphanie Berger mit Ihnen für UPC Cablecom. Werden Sie langsam abgelöst?

Die Marketingleute von UPC Cablecom wollten, dass ich eine Partnerin bekomme. Ich finde es sehr interessant, jemanden dabei zu haben. Für die Zuschauer ist es auf diese Weise auch viel erfrischender, da sie nicht immer die gleiche Person auf dem Bildschirm sehen. Stéphanie Berger ist zudem sehr lustig und hat viel Energie. In ihrer eigenen One-Woman-Show macht sie Witze über sich selbst als ehemalige Miss Schweiz. Diese Art von Humor gefällt mir.

In manchen Werbefilmen steht auch Eric Tveter, der CEO von UPC Cablecom, vor der Kamera. Was halten Sie von seinen schauspielerischen Fähigkeiten?

Ein Schauspieler ist er nicht gerade. Aber das muss und will er auch nicht sein. Mit ihm zusammenzuarbeiten, war grossartig. Er hat Sinn für Selbstironie. Dafür muss man intelligent sein. Als internationaler CEO zeigt er mit diesen Auftritten auch viel Mut. In den Clips machen Stéphanie und ich uns fast schon lustig über ihn. Das ist auch der Sinn dieser Kampagne. Mit dieser humorvollen Kampagne hat sich das Unternehmen viel sympathischer gemacht.

Sie haben also keine Angst, dass Tveter Ihnen Rollen wegschnappen wird?

Falls er das schafft, ist es okay. Damit hätte ich kein Problem. Ich glaube aber nicht, dass er das vorhat.

Dieser Artikel erschien ursprünglich im Digital Life, Ausgabe 1/2015.

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